Schauspiel und Medienkompetenz: Schauspiel und Theater digital

Digitales Theater gewinnt zunehmend an Bedeutung.

Jüngste Beispiele, in Zeiten der Coronakrise ist die Schaubühne Berlin. Hier lockt man die Zuschauer mit täglichen virtuellen Theaterstücken, Künstlerlesungen und Beiträgen der Schauspieler, wie zB das Schauspiel „Hamlet“ mit dem Bühnenstar Lars Eidinger. Im Ersatz-Spielplan kann man virtuell an den Theaterveranstaltungen teilnehmen.

Wir haben das Angebot ausprobiert und für sehr gut befunden. Voraussetzung ist allerdings eine stabile Internetleitung. Es ist zu hoffen, dass diese „Ersatzvornahmen“ oder, wie die Schaubühne es selber sehr originell nennt „Zwangsvorstellungen“,  auch nach der Coronakrise im Angebot erhalten bleiben. Wer nämlich an der Veranstaltung nicht teilnehmen könnte oder verhindert wäre, könnte sich die jeweiligen Stücke eventuell gegen ein Entgelt als Stream ansehen.

Die Schauspieler der Schaubühne Berlin haben bereits die ein oder andere Ausbildung erhalten und sind bereits erfahrene Schauspieler. Doch wie kommt man eigentlich in die richtige Schauspielschule? Was ist in einer fundierten Ausbildung enthalten?

Der Begriff Ausbildung 4.0 tritt inzwischen vermehrt auf und Arbeitsprozesse werden stetig erneuert. Die Digitalisierung hat auch in der Schauspielbranche Einzug gehalten. Wie sich dieser Wandel auf die Qualifizierung von Schauspieler*innen auswirkt, ist bisher wenig bis gar nicht erforscht.

Früher wurden Schauspieler*innen durch Vorsprechen oder Theaterauftritte besetzt, der persönliche Kontakt zu Regisseur*innen war dabei wichtig. Heute leben wir in einer Zeit, in der die Generation Instagram auf die Bühne kommt. Schauspieler*innen werden neben den klassischen Voraussetzungen wie Talent ebenso nach der Zahl der Follower*innen auf Instagram besetzt.

Das bringt Reichweite und bestenfalls kostenlose Werbung und Quote. Durch Laienfern- sehen, Serienwirbel, Streaming Anbietern, Netflix, Amazon und YouTube hat sich die Arbeitswelt der Darsteller*innen verändert.

Schauspielstudierende stellen sich daher vermehrt die Frage, ob die gängigen Inhalte des klassischen Studiums wie Rhetorik, Sprecherziehung und Rollenstudium ausreichen, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Es wäre denkbar, an Themen wie Medien, Marketing und sozialpolitischer Bildung anzuknüpfen, um die Eigenverantwortlichkeit im künstlerischen Prozess zu fördern.

In einer multikulturellen und medialen Gesellschaft ist das Berufsbild auf dem Prüfstand, um die Verantwortung für gesellschaftliche Themen nicht aus den Augen zu verlieren. Schauspieler*innen in dieser Gesellschaft werden künftig neue Kompetenzen benötigen, um an sozialpolitischen Vorgängen und Konzeptionierungen teilhaben zu können.

Als Vorreiter hat sich das Schauspiel Dortmund erwiesen, welches mit seinem Theaterlabor für Digitalität und Theater ein einzigartiges Modellprojekt ins Leben gerufen hat. Die Grenze von digitalem Denken, neuen Technologien und darstellender Kunst sollen dabei inhaltlich wie formal im Fokus der Forschung stehen. Dies trägt in digitalen Zeiten erheblich zum Erhalt des Theaters bei und wird im Unterkapitel 4.1 nochmals genauer beschrieben.

Foto: privat
vlnr.: Regine Prause, Martin Semmelrogge, Joanna Semmelrogge, Stefan Bockelmann, Mandy Marie Mehrenholz  im Hannover´schen „Neues Theater“ nach der Vorstellung „SMS für Dich“.

Theoretische Grundlagen

Die Forschungsfrage soll zunächst in einen theoretischen Rahmen eingebettet werden, der auf verschiedene Dimensionen von Medienkompetenz Bezug nimmt. Medienkompetenz wird als pädagogisches Konzept gesehen.

Aspekte der Medienkompetenz

Als Hinführung zur Medienkompetenz soll nachfolgend die Definition von Kompetenz aufgeführt werden, die wie folgt lautet: „Die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“.

Von wesentlicher Bedeutung für den Ursprung der Medienkompetenz dient die kommunikative Kompetenz, die als umfassende Fähigkeit des Menschen gesehen wird, sich mittels Symbolen sprachlicher und nicht-sprachlicher Art auszutauschen. Die Vermittlung von kommunikativer Kompetenz soll Schauspieler*innen dazu befähigen, den Einsatz von Medien in ihre Lebenswelt zu integrieren, ständig selbst zu interagieren und zu handeln. Medienkompetenz wird zudem als bedeutsame Voraussetzung für eine autonome Lebensführung gesehen, die zunehmend davon geprägt ist, mit und über Medien das eigene Leben zu gestalten.

Als Kompetenz für die Nutzung neuer Medien werden die Gesichtspunkte der Informatik und Medienpädagogik vereint. Ein erster Schritt besteht darin, nicht mehr nur über Medien, sondern auch über die Technik und Technologie zu sprechen .

Folgend soll Medienkompetenz anhand des Modells von Baacke erläutert werden.

 Modell der Medienkompetenz nach Baacke im Kontext Schauspiel und Theater

Der Begriff der Medienkompetenz wurde von Dieter Baacke in seiner Habilitationsschrift 1973 konzeptuell vorbereitet und in den 1990er Jahren in die Wissenschaft, die (medien-) pädagogische Praxis und die Politik getragen. Der Ansatz von Dieter Baacke,  der den Begriff der Medienkompetenz aus älteren sozialwissenschaftlichen Debatten herleitet und außerdem auf die Anschlussfähigkeit des Konzeptes zu aktuellen medientheoretischen Debatten, wie der Wissensklufthypothese, dem Nutzenansatz, dem Habituskonzept, oder dem sozialökologischen Ansatz verweist, soll nachfolgend auf den Kontext von Theater und Schauspiel bezogen werden. Medienkompetenz im Sinne von Baacke steht nicht für ein subjektiv−individualistisch beschränktes Konstrukt, sondern für ein Gestaltungsziel auf überindividueller, gesellschaftlicher Ebene, innerhalb eines Diskurses zur Informationsgesellschaft.

Das Ziel liegt demnach nicht auf der rezeptiven, passiven Nutzung von Medien, sondern fokussiert einen kreativen und kritisch-reflexiven Gebrauch der Medien. Schauspieler*innen sollen ihren Beruf und das Theater demnach handelnd mitgestalten.

Fotos und Text: Joanna Semmelrogge (c) / Regine Prause (c)

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